Das Leben mit einem rumänischen Straßenhund….ein Erfahrungsbericht

Ich möchte hier mal von unserem Frodo berichten. Frodo kam vor 7 Jahren aus Rumänien
zu uns. Er lebte dort auf der Straße und wurde dort, mit einigen anderen Hunden, auf einem Firmengelände mit Futter versorgt.
Dann wechselte der Firmeninhaber und der neue Chef wollte die Hunde nicht auf seinem
Gelände haben. Es sollten die Hundefänger gerufen werden.
Was so viel heißt, die Hunde wären in eine Tötungsstation gelandet.
Wir hörten davon, da wir aber bereits 2 eigene Hunde hatten, waren wir bereit, Frodo als Pflegehund aufzunehmen, so dass wir von hier aus für ihn ein Zuhause finden konnten.
So war der Plan…….
Frodo kam am 01.03.2014 um ca. 23 Uhr bei uns an. Er war nach der langen Autofahrt fix und fertig und rührte sich kaum von der Stelle. Also war erst mal Ausruhen und Ankommen angesagt.
Von Anfang an verstand er sich sehr gut mit unseren eigenen Hunden und auch uns gegenüber zeigte er sich sehr aufgeschlossen und freute sich über jegliche Zuwendung.
Bei unseren ersten Kontakten fiel schnell auf, dass er körperlich einige Blessuren aufwies.
Da war der deformierte Nasenspiegel, eine Narbe über dem rechten Auge, eine am Kinn, dann die etwa 2 handflächengroße haarlose Stelle an der Brust, das versteifte und verdickte Gelenk am rechten Vorderlauf, ein Loch im rechten Oberkiefer, eine deformierte und vernarbte Hinterpfote und die fehlende Rute.
All diese Verletzungen waren älteren Datums und längst verheilt.
Wie es dazu kam, konnte niemand mehr nachvollziehen. Vielleicht ein Autounfall oder hatten ihn Menschen diese Verletzungen zugefügt?….man weiß es nicht.
Trotz allem war Frodo einfach nur lieb und uns sehr schnell klar, dass er zu uns gehört.
Ein Problem gab es aber doch. Er kannte ein Geschirr nur vom Transport von Rumänien nach Deutschland, hatte ein solches aber nie zum Gassigehen getragen. Gassi gehen? angeleint? Geschirr anziehen? Ich bleib einfach mal stehen und mache gar nichts.
Es hat 3 Wochen gedauert, bis ich ihn so weit hatte, dass er, zunächst im Garten und später auch an der Straße mitlief.
Heute ist das alles kein Problem mehr, er mag es zwar immer noch nicht sehr gerne, wenn wir ihm das Geschirr anziehen wollen, aber das geht sehr fix und er weiß, dass es dann zu kleineren oder größeren Abenteuern geht.
Inzwischen verbrachten wir schon gemeinsame Urlaube am Meer und auch ab und an mal den einen oder anderen Ausflug.
Tierarztbesuche gestalten sich ebenfalls völlig unkompliziert, niemals hat Frodo geknurrt oder gar geschnappt, nur fremden Menschen gegenüber, die unser Grundstück betreten, ist er weiterhin eher misstrauisch und verbellt sie. In unserer Anwesenheit bleibt er aber ruhig.
Im Laufe der Zeit hatten wir tatsächlich dann auch den einen oder anderen Pflegehund aus Rumänien, die hier in Deutschland alle ein tolles Zuhause gefunden haben.
Bis auf den scheuen und sehr sensiblen Rex, waren alle Hunde grundsätzlich offen. Bei Rex hat es 1,5 Wochen gedauert, bis wir endgültig sein Vertrauen gewonnen hatten.
Das wurde uns aber vom zuständigen Verein auch so mitgeteilt, dass er eher ein zurückhaltender Vertreter sei. Auch er fand in Deutschland ein passendes Zuhause.
Immer wieder lese ich kritische Sätze, dass Straßenhunde gar nicht „gerettet“ werden wollen, dass sie ihr freies und unabhängiges Leben bevorzugen würden, sprich, man tut ihnen keinen Gefallen, wenn man sie „rettet“ , in einen privaten Shelter verbringt, wo sie kastriert, geimpft und entwurmt werden, um dann die lange Reise in ein anderes, für sie komplett unbekanntes Leben zu beginnen.
Sie wollen nicht in einem Haus wohnen und dort auf der Couch liegen.
Man sagt, die Hunde seien damit überfordert und das sei nicht das Leben, was sie wollen.
Man solle die Tiere lieber kastrieren und dann dort belassen.
Ich kann jetzt nur für Rumänien sprechen.
Wer sich nur etwas mit den Gegebenheiten vor Ort auseinander setzt, sieht schnell, dass es nicht so einfach ist. Kastrationsprogramme laufen, aber…
DEN Straßenhund, der nie in menschlicher Obhut gelebt hat, gibt es eher selten. Die meisten Hunde haben oder hatten mal einen Besitzer. In Rumänien ist es nicht verboten, seinen Hund frei herum laufen zu lassen, für diese Hunde gibt es auch keine Kastrationspflicht. Hunde werden immer wieder ausgesetzt, z.B., wenn sie krank sind oder sich herausstellt, dass der Hund nicht als Wachhund taugt. Immer wieder werden ausgesetzte Welpen gefunden…..immer und immer wieder werden solche Hunde gefunden, verletzte oder kranke Hunde, die ohne menschliche Hilfe keine Chance hätten. Hunde auf der Suche nach Nahrung…….die Gefahr, von einem Auto angefahren, von Menschen geschlagen und misshandelt oder von den staatlichen Hundefängern erwischt zu werden, ist sehr hoch.
Ein weiteres gern verwendetes Argument ist „nicht umsonst sitzen so viele Hunde aus dem Ausland in deutschen Tierheimen“
Dazu möchte ich folgendes sagen:
Die wenigsten Hunde sind tatsächlich Abgabetiere, sondern sitzen in deutschen Tierheimen, weil auch deutsche Tierschutzvereine mit den ausländischen Tierschützern kooperieren, sie in deutschen Tierheimen aufnehmen, um sie von dort aus weiter zu vermitteln.
In Rumänien haben diese Tiere keine Chance.
Noch eine Anmerkung zum Schluss. Alle unsere Pflegehunde haben innerhalb kürzester Zeit ein gemütliches Plätzchen auf der Couch zu schätzen gelernt, selbst der scheue Rex lag am 3. Tag auf unserer Bürocouch und ließ sich das Köpfchen kraulen.
Zu unserem Frodo kam jetzt vor gut 2 Jahren unsere Hündin Wilma hinzu, auch sie wurde verletzt auf der Straße gefunden.
Ich glaube nicht, dass einer unserer ehemaligen Pflegehunde oder gar unsere eigenen Hunde zurück auf die Straße möchten, aber ich kann sie ja mal bei Gelegenheit fragen.
Text: Susanne Berthel